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Bundestagswahl 2013 – gesundheitspolitische Sprecher im Interview: Welche Perspektiven hat die Homöopathie?
Von Christoph Trapp | 12.Juni 2013
Am 22. September wird ein neuer Bundestag gewählt. Obwohl Gesundheitspolitik selten ein großes Wahlkampfthema ist, sind Wirkungen und Nebenwirkungen der Gestaltung des Gesundheitssystems für jeden direkt spürbar. In dieser Wahl geht es auch um die Umgestaltung des Systems: Linke, Grüne und SPD befürworten die Bürgerversicherung, und damit die Abschaffung der privaten Krankenversicherung. Die Gesundheitswirtschaft ist ein milliardenschweres Geschäft. Spielt da die Homöopathie überhaupt eine Rolle? Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) hat nachgefragt, welche Perspektiven die im Bundestag vertretenen Parteien der Komplementärmedizin im Allgemeinen und der Homöopathie im Besonderen bieten. Verzichten müssen wir auf die Antworten der FDP, die Freien Demokraten haben ein Interview zum Thema abgelehnt.
Interview mit Biggi Bender, Bündnis 90/DIE GRÜNEN
DZVhÄ: Eine Allensbach-Studie zeigte 2009, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent). Erhebungen von Krankenkassen sprechen sogar von 68 Prozent. Die besonderen Therapierichtungen spielen im Gesundheitssystem allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Werden Sie sich des Themas annehmen und die Homöopathie als komplementäre Methode politisch unterstützen?
Bender: Wir Grünen machen uns bereits seit vielen Jahren dafür stark, dass die Komplementärmedizin (darunter die Homöopathie) unideologisch mit ihren Potenzialen wahrgenommen wird. Eine strikte Ablehnung der Homöopathie ist ebenso wenig hilfreich wie (auch aus der Komplementärmedizin kommende) Behauptungen, diese entziehe sich durch ihren individuellen Ansatz einer systematischen Evaluierung. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die öffentliche Forschung zur Komplementärmedizin ausgebaut wird, da diese vielfach von chronisch Kranken, denen die sogenannte Schulmedizin nicht geholfen hat, als hilfreich empfunden wird.
Interview mit Hilde Mattheis, SPD
DZVhÄ: Eine Allensbach-Studie zeigte 2009, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent). Erhebungen von Krankenkassen sprechen sogar von 68 Prozent. Die besonderen Therapierichtungen spielen im Gesundheitssystem allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Werden Sie sich des Themas annehmen und die Homöopathie als komplementäre Methode politisch unterstützen?
Mattheis: Die Homöopathie ist eine ergänzende Methode zur klassischen Medizin. Ich selber greife oft auch auf homöopathische Mittel zurück. So wie ich sind viele Patientinnen und Patienten von der Wirkung überzeugt. Jeder und jede sollte die Möglichkeit haben auf diese Form der Behandlung zuzugreifen.
Interview mit Jens Spahn, CDU/CSU
DZVhÄ: Eine Allensbach-Studie zeigte 2009, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent). Erhebungen von Krankenkassen sprechen sogar von 68 Prozent. Die besonderen Therapierichtungen spielen im Gesundheitssystem allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Werden Sie sich des Themas annehmen und die Homöopathie als komplementäre Methode politisch unterstützen?
Spahn: Die CDU setzt sich seit jeher für die freie Arztwahl und für die Therapiefreiheit der Ärzte ein und wird dies auch weiterhin tun. Sie hat den Naturheilmitteln und der Naturheil-Medizin seit jeher große Bedeutung beigemessen und dafür Sorge getragen, dass die besonderen Therapierichtungen nicht gänzlich aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen wurden.
Interview mit Martina Bunge, DIE LINKE
DZVhÄ: Eine Allensbach-Studie zeigte 2009, dass mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent). Erhebungen von Krankenkassen sprechen sogar von 68 Prozent. Die besonderen Therapierichtungen spielen im Gesundheitssystem allerdings eine nur untergeordnete Rolle. Werden Sie sich des Themas annehmen und die Homöopathie als komplementäre Methode politisch unterstützen?
Bunge: Komplementäre Heilmethoden und insbesondere die Homöopathie genießen in weiten Teilen der Bevölkerung Sympathie. Grundsätzlich kann jede Patientin und jeder Patient sich die für sie bzw. ihn passende Heilmethode und die Behandelnden frei auswählen. Die LINKE steht für diese Wahlfreiheit und wird sich politisch für ihren Erhalt einsetzen. Die Politik kann aber weder bewerten, welche Heilbehandlung im Einzelfall die richtige ist, noch wie aus wissenschaftlicher Sicht die einzelnen Therapierichtungen beurteilt werden. Wir stehen dafür, dass alle Methoden, die ihren patientenrelevanten Nutzen unter Beweis gestellt haben, ohne zusätzliche Gebühren den Menschen zur Verfügung stehen müssen. Dafür muss nachgewiesen sein, dass sich die Lebensqualität, die Morbidität und/oder die Mortalität aufgrund einer Behandlung verbessern. Wir sind daher dafür, alle Heilmethoden auf Basis ihres Nutzens gleich zu behandeln.
Statement von Generalsekretär Patrick Döring, FDP
Die FDP ist ein großer Verfechter der Naturheilkunde als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin. Zwischen schulmedizinischen und alternativen Heil- und Behandlungsmethoden muss es einen qualitätsorientierten Wettbewerb und in diesem Zusammenhang Chancengerechtigkeit geben. Gleichermaßen begrüßen wir die Pilotprojekte verschiedener Krankenkassen, alternative Heilmethoden zu versichern. Dies entspricht auch dem Wunsch vieler Versicherter. Der Erhalt der Pluralität medizinischer Schulen ist kein Selbst-zweck, sondern hat handfeste Vorteile zum Wohl der Patienten. Pluralität der medizinischen Schulen sichert Wahlfreiheit und lässt in der konkreten Behandlungssituation Wahlmöglichkeiten für Ärzte und Patienten zu.
Themen: DZVhÄ Homöopathie.Blog | 5 Kommentare »
14th.Juni 2013 um 08:34
Mich überzeugt das Statement von Biggi Bender am ehesten. Möchte die Homöopathie als Behandlungsmethode anerkannt werden, dann muss auch sie sich der Überprüfung ihrer Wirksamkeit stellen. Und erst dann, wenn die Ergebnisse der klinischen Studien vorliegen, wird man bewerten können, ob die Homöopathie eine angemessene Medizin ist. Mit stichfesten Beweisen werden dann auch die Kritiker und Skeptiker verstummen…
16th.Juni 2013 um 08:11
Was sollen diese Aussagen wert sein?
Wenn 53 % der Deutschen schon einmal Homöopathie verwendet haben, dann haben 53 % der Wähler schon mal Homöopathie versucht. Trotz aller Argumente werden einige davon überzeugt sein. Ergebnis: Eine andere Meinung als hier dargestellt kostet eventuell Wählerstimmen.
Mehr bedeutet das nicht. Politikergeschwätz eben.
15th.Juli 2013 um 06:26
Sehr schöne und vor allem interessante Zusammenstellung. Danke für den Überblick.
16th.Juli 2013 um 07:25
Die Antworten und auch der Sinn hinter der Fragestellung sind okay. Was mich stört ist die eine Aussage in der Frage. Und zwar das „mehr als die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland selbst schon einmal homöopathische Mittel verwendet hat (53 Prozent)“
Das suggeriert in gewissem Maße, dass ja immerhin die Hälfte diese Therapieform nutzt. Richtiger scheint mir aber, dass dazu auch Personen zählen, die Homöopathie mal ausprobiert haben und nicht davon überzeugt sind. Diese beiden Personengruppen in einen Topf zu schmeißen erscheint mir falsch.
Ich wüsste daher gerne, ob die 53 Prozent alles Befürworter sind oder ob dies auch die einmalige Nutzung mit einschließt!?
16th.Juli 2013 um 10:55
@Ahrens: Danke für Ihre Frage. Hier also detaillierte Informationen zur Allensbach-Umfrage (2009), auf die sich die Zahl bezieht:
Nur 2 Prozent der Bevölkerung halten homöopathische Arzneien für unwirksam: Insgesamt ein Viertel der Bevölkerung sind „überzeugte Verwender“ homöopathischer Arzneimittel, und sind ohne Einschränkung von deren Wirksamkeit überzeugt (25 Prozent). Weitere 26 Prozent nutzen diese Medikamente, enthalten sich aber eines eindeutigen Wirksamkeitsurteils. Dagegen halten lediglich 2 Prozent der Bevölkerung homöopathische Mittel trotz eigener Erfahrungen generell für unwirksam.
Die überwiegende Mehrheit der bisherigen Nichtverwender kann sich ausdrücklich vorstellen, in Zukunft homöopathische Mittel zu nehmen. Lediglich 14 Prozent der Bevölkerung lehnen es – ohne über eigene Erfahrungen zu verfügen – ausdrücklich ab, homöopathische Arzneimittel zu verwenden. Der Weg zu homöopathischen Arzneimitteln führt vor allem über persönliche Empfehlungen von guten Bekannten (54 Prozent) oder einem Arzt bzw. Apotheker (37 Prozent bzw. 31 Prozent). Daneben spielen die ausdrückliche Verschreibung durch den Arzt (22 Prozent), aber auch die Medienberichterstattung eine Rolle (21 Prozent). Die Nutzer homöopathischer Mittel berichten von der erfolgreichen Anwendung vor allem bei Erkältungen und grippalen Infekten (60 Prozent). Daneben werden homöopathische Arzneien von vielen auch erfolgreich gegen ein breites Spektrum verschiedener Krankheitsbilder eingesetzt: von Magen- und Verdauungsbeschwerden, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit über Nervosität, Hautkrankheiten und Kreislaufstörungen bis hin zu Bronchitis, der Stärkung in der Rekonvaleszenz und der Behandlung von Sportverletzungen.
Die Berichterstattung über homöopathische Arzneimittel wird von großen Teilen der Bevölkerung als ausgewogen (37 Prozent) empfunden. Diejenigen, die eine Tendenz wahrnehmen, sehen eher einen positiven (25 Prozent) als einen negativen Medientenor (9 Prozent). Für die Zukunft geht der größte Teil der Bevölkerung davon aus, dass sich an der Rolle, die homöopathische Heilmittel in Deutschland spielen, nicht viel ändern wird (45 Prozent) oder urteilt in dieser Frage gar nicht (20 Prozent). Immerhin jeder dritte Bürger nimmt aber an, dass Homöopathika in Deutschland weiter an Bedeutung gewinnen werden (32 Prozent). Von einem zukünftigen Bedeutungsverlust geht dagegen fast niemand aus (3 Prozent).