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Pharma gegen Meinungsfreiheit? Boirons hausgemachte PR-Krise.

Von Bjoern Bendig | 27.September 2011


Im Juli dieses Jahres veröffentlichte der italienische Blogger Samuele Riva in zwei Artikeln seines Blogs (www.blogzero.it) kritische Inhalte zur Homöopathie. In den Beiträgen mit dem Titel „Homöopathie – Mythen und Legenden“ berichtete Riva, dass die französische Firma Boiron, weltweit der größte Hersteller homöopathischer Arzneien, ein Präparat namens oscillococcinum® gegen Grippe vermarktet, das kein pharmakologisch wirksames Molekül der Urtinktur enthalte. Grundsätzlich ist das nichts Neues – bei allen homöopathischen Arzneien ab einer Potenz von D23 ist das der Fall. Eine Abbildung des Produkts versah Samuele Riva mit dem Untertitel: „Verletzt ernsthaft die Intelligenz derer, die es kaufen.“ Für Blogger nicht unüblich, schmückte Riva seine Ausführungen mit „plakativen“ Formulierungen und der falschen Tatsachenbehauptung, dass es keinen wissenschaftlichen Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie gebe. Boiron drohte dem Blogger, nachdem der Versuch eines persönlichen Gesprächs gescheitert war, mit einer Klage wegen Verleumdung.

Der Streisand-Effekt

Als Resonanz bekam es Boiron mit einem grundsätzlich positiven Phänomen des digitalen Informationszeitalters zu tun: Inhalte im Internet, die juristisch unterdrückt werden sollen, verbreiten sich rasant und ziehen in der Folge eine stark erhöhte Aufmerksamkeit nach sich (der sogenannte Streisand-Effekt). Vor der Androhung der Klage riefen etwa 150 Nutzer Rivas Texte ab. Nachdem die Drohung publik wurde, berichteten zuerst weitere Blogs in unterschiedlichen Sprachen und im Anschluss auch das British Medical Journal und das Handelsblatt Online über den Fall. Dabei tat Riva nur das, was einige Blogger gelegentlich tun: Er stellte die Homöopathie aus der Sicht eines Laien dar, der sich an ihrer fehlenden Plausibilität – insbesondere der Potenzierung – reibt, ohne Kenntnisse über die Studienlage oder methodologisches Fachwissen zu besitzen.
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Mangelhafte Pressearbeit

Die Netzresonanz im Tenor von „Pharmakonzern unterdrückt Meinungsfreiheit“ dürfte Boiron einen erheblichen und hausgemachten Imageschaden zugefügt haben. Homöopathie-Kritiker nutzten den Fall systematisch, um online Stimmung gegen die Homöopathie zu machen. Auch wenn Boiron in einer aktuellen Stellungnahme schreibt: „We are not opposed to freedom of speech. We just want to say to you that we never expected such reactions and felt really sorry about that.“ Dass der Arzneimittelhersteller nicht mit dieser Kritik gerechnet hat, spricht für eine mangelhafte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, die das hohe Gut der Meinungsfreiheit nicht im Blick hat und die Netzdynamik unterschätzt.
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Dialog ist besser als Abmahnung

Einige Bloginhalte glänzen mit Unwissenheit und strapazieren die Grenzen des guten Geschmacks, dennoch gilt: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. (…) Eine Zensur findet nicht statt“ (Art. 5 GG). „Ein Dialog ist immer besser als eine juristische Konfrontation“, sagt Cornelia Bajic, 1. Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ). Dazu hat der DZVhÄ beispielsweise dieses Blog geschaffen. „Wir laden die Firma Boiron und Samuele Riva dazu ein, eine konstruktive Diskussion zum Thema auf unserem Wissenschaftsblog zu führen“, so Bajic.
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Themen: DZVhÄ Homöopathie.Blog | 3 Kommentare »

3 Kommentare to “Pharma gegen Meinungsfreiheit? Boirons hausgemachte PR-Krise.”

  1. Samuele Riva schreibt:
    27th.September 2011 um 14:18

    Hi, I’m „that“ Samuele Riva.
    I’ve asked Boiron to answer to some questions on my blog, but they refused…

    Anyway, you can find my 3 articles about homeopathy, written in german language, here:
    http://dieausrufer.wordpress.com/2011/08/20/homoopathie-mythos-und-legende-1/

    Bye

  2. Lothar Brunke schreibt:
    27th.September 2011 um 19:16

    Es sind immer wieder dieselben Thesen, die hier von medizinischen Laien verbreitet werden.
    Wie kommt der Verfasser der Skeptikerschrift darauf, dass nur chemische Substanzen eine Wirkung im Körper entfalten könnten?

    Hier im Blog wurde meinerseits regelmäßig darauf hingewiesen, dass Homöopathie auf einer Information beruht, welche in die Regulation des Körpers eingreift und dort eine Änderung der Regelvorgänge konkret auf der Ebene des second messengers bewirkt (Entdecker Earl W. Sutherland, Jr wurde mit dem Nobelpreis in Physiology or Medicine 1971 geehrt). Das ist genau der Teil der medizinischen Forschung, der bis heute von der Informationsbasis nicht ausreichend erforscht ist. Weitere Informationen hat der Haug-Verlag in der AHZ 5/2011 S. 19 ff. unter dem Titel „Sind Biophotonen Wirkmediator homöopathischer Arzneien?“ in einem Aufsatz von mir veröffentlicht. Das dort vorgestellte Alternativmodell zur pharmakologischen Modellbildung biete zumindest plausible Erklärungen für die bisher beobachtbaren Phänomene der homöopathischen Mittelwirkung. Die Skeptiker sind aufgerufen die Hypothesen zu widerlegen und die dafür erforderlichen Versuche durchzuführen.

    Letztlich lade ich den Skeptiker erneut ein, den hier im Blog bereits ausgiebig vorgestellten Skeptikerversuch analog Nash durchzuführen. Der Versuch beruht auf der Einnahme des verstärkt hergestellten homöopathischen Mittels Glonoinum D30 V mit dem Ziel die von diesem Mittel verursachten Symptome für jeden Skeptiker nachvollziehbar zu erleben. Bisher hat sich niemand gefunden, der das Mittel unter ärztlicher Aufsicht einnehmen wollte, um Symptome wie pulsierender Kopfschmerz u.a. zu provozieren. Nash hatte zu seinerzeit den Versuch mit Glonoinum C1 durchgeführt und zahlreiche Skeptiker damit überzeugen können.
    Auf die zahlreichen geheilten Patienten, die Jahrelang in zahlreichen schulmedizinischen Behandlungsversuchen keine Besserung erfahren und dann beim Homöopathen endlich gesund werden, will ich hier nicht eingehen.

    Die Skeptiker müssen sich schon die Mühe machen nachvollziehbar Thesen aufzustellen. Allein die Behauptung, ein Medikament ohne pharmakologischen Wirkstoff sein unwirksam, geht an der Realität vollständig vorbei und lässt sich leicht wiederlegen. Der Skeptiker sollte nur bereit sein den Lebendversuch analog Nash durchzuführen. Auf die Gefahren, die von dem Versuch ausgehen, wurde bereits in früheren Beiträgen hingewiesen.

  3. Christine Wittenburg schreibt:
    21st.Januar 2013 um 15:42

    Wie auch immer: Boiron Aktien, eine Anlageempfehlung des DZVhÄ, haben im letzten Jahr ziemlich zugelegt: von etwa 24€ auf 29€.

Kommentare