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CAM: Konferenz im Europaparlament informiert über den Nutzen der Komplementärmedizin für Europas strapazierte Gesundheitssysteme.

Von Claus Fritzsche | 27.August 2012

„Complementary and Alternative Medicine – Innovation and Added Value for European Healthcare“. So lautet das Motto einer Konferenz, die am 09.10.2012 im Europaparlament stattfindet. Die von der Europäischen Kommission und der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher zu gleichen Teilen finanzierte Veranstaltung geht der Frage nach, welchen Mehrwert „Complementary and Alternative Medicine (CAM)“ den unterfinanzierten Gesundheitssystemen bietet. Europas Bürger werden immer älter, leiden immer häufiger unter chronischen Erkrankungen und werden immer ungleicher versorgt, schreibt die Nichtregierungsorganisation epha auf ihrer Webseite zur EU CAM CONFERENCE. Gleichzeitig verändern sich die Erwartungen vieler Bürger an das Gesundheitswesen. Ganzheitliche Konzepte sowie Prävention und mehr Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit werden wichtiger. Aus Sicht der Veranstalter der EU CAM CONFERENCE lässt sich die wachsende Kluft zwischen begrenzten Ressourcen der Gesundheitssysteme und neuen Ansprüchen der Bürger durch komplementärmedizinische Therapieverfahren und Gesundheitskonzepte überbrücken.

Chronische Erkrankungen: wichtiger Trigger für die wachsende Nachfrage nach Komplementärmedizin

Rund 70 Prozent der Krankheitskosten in entwickelten Industrieländern entfallen inzwischen auf chronische Erkrankungen wie z. B. Hypertonie, Herzkrankheiten, Diabetes Mellitus, Arthritiden, Asthma Bronchiale oder Depression. Die konventionelle Medizin bietet chronisch Kranken kaum kurative (heilende) Therapieansätze. Das zur Verfügung stehende therapeutische Instrumentarium dient oftmals nur dem Zweck, Leiden zu lindern und Symptome vorübergehend zu unterdrücken. Geschieht dies auf pharmakologischem Weg, so steigt das Risiko von Nebenwirkungen und Medikamentenabhängigkeit erheblich, von den damit verbundenen direkten und indirekten Kosten und Folgekosten ganz zu schweigen. Gleichzeitig setzt sich immer mehr die Sichtweise durch, dass es eine kausale Wechselbeziehung zwischen (körperlichem, emotionalem und geistigem) Stress und chronischen Erkrankungen gibt und beispielsweise Anti-Stress-Trainings „Schmerzen lindern, entzündliches Rheuma, Allergien oder Darmkrankheiten dämpfen und gegen Angststörungen helfen“ (1).

Verändertes Krankheitsspektrum erfordert neue Strategien

„Medizinisch-technische Fortschritte, veränderte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Lebenszeitverlängerung führen in allen industrialisierten Gesellschaften zu einer Veränderung des Krankheitsspektrums. Demnach gewinnen chronische Erkrankungen immer mehr an epidemiologischer, individueller, sozialpolitischer sowie gesundheitsökonomischer Bedeutung“, berichten Prof. Dr. Adelheid Kuhlmey und Kollegen (2) im „Fehlzeiten-Report 2006“. Die Medizin-Soziologen weisen darauf hin, dass die Krankheitslast chronischer Krankheiten nur durch relativ wenige Risikofaktoren bestimmt wird, „die sich aus einer Interaktion zwischen riskantem Gesundheitsverhalten, psychosozialem Stress sowie sozioökonomischen Faktoren erklären.“ Menschen mit niedrigem Bildungsstand, Einkommen und Berufsstatus sind überproportional stark von chronischen Krankheiten betroffen.

Die Komplementärmedizin verfügt über Therapieverfahren, die in breiten Bevölkerungskreisen gerade dann nachgefragt werden, wenn die konventionelle Medizin wenig oder keine Hilfe mehr anbietet, Patienten als austherapiert gelten. Schaut man sich z. B. die Versorgungsforschung zur Homöopathie an, so zeigt sich bisher, „dass vorwiegend Patienten mit langbestehenden chronischen Erkranken behandelt werden“, die nach einer homöopathischen Behandlung „klinisch relevante Verbesserungen“ zeigen (3). Nicht alles, was auf dem Gebiet der Komplementärmedizin glänzt, ist auch Gold. Das volle therapeutische Potenzial wird oftmals auch erst dann erschlossen, wenn Therapien und Maßnahmen Bestandteil eines Gesamtkonzepts sind und weitere Faktoren berücksichtigt werden: der Lebensstil, die innere Einstellung und Erwartungshaltung, die Arzt-Patient-Interaktion sowie Ernährung und Bewegung. Unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen und bei spezifischen chronischen Indikationen scheint die Komplementärmedizin jedoch sinnvolle und nützliche therapeutische Optionen zu bieten, welche die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessern.

Alles dies ist nicht wirklich neu. Wer sich wie z. B. Forscher und Gesundheitswissenschaftler mit CAM-Themen auseinandersetzt, dem sind die Zusammenhänge bewusst. Neu ist hingegen, dass ein immer größerer Teil unkonventioneller Verfahren durch wissenschaftliche Daten gestützt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn man die Gesamtwirksamkeit (d.h. spezifische und unspezifische Effekte) als Bewertungskriterium heranzieht, wie dies die Versorgungsforschung macht. Neu ist auch, dass sich politische Gremien mit dem Potenzial der „Complementary and Alternative Medicine (CAM)“ auseinandersetzen, es konstruktiv kritisch beleuchten.

Foto: Europaparlament – © finecki – Fotolia.com
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Programm der EU CAM CONFERENCE:

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MORNING SESSION
Moderator: Harald Walach, Professor für Forschungsmethodik komplementärer Medizin und Heilkunde, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder
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09:00 bis 9:30 Uhr – Begrüßung und Eröffnung
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Elena Oana Antonescu MEP (EPP, Rumänien)
John Dalli, EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz
Enid Segall, Patient
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09:30 bis 10:30 Uhr – Der Wert der Komplementär- und Alternativmedizin für Europas Patienten und Bevölkerung
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– Complementary and Alternative Medicine and innovative healthcare, Andrew Long, Professor of Health Systems Research, University of Leeds, United Kingdom

– Patients’ motivations for and use of CAM, Helle Johannessen, Professor of Social, Studies in Health and Medicine, Institute of Public Health, Faculty of Health Sciences, University of Southern Denmark, Denmark
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10:45 bis 12:00 Uhr – Der Wert der Komplementär- und Alternativmedizin für Europas Gesundheitssysteme
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– Evidence-base and effectiveness of Complementary and Alternative Medicine, Gustav Dobos, Professor of Internal Medicine, Chair of Complementary and Integrative Medicine, University of Duisburg-Essen, Germany

– Costs and cost-effectiveness of Complementary and Alternative Medicine, Claudia Witt, Professor of Medicine, Institute of Social Medicine, Epidemiology, and Health Economics, Charité University, Berlin, Germany

– Diskussion
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AFTERNOON SESSION
Moderator: Harald Walach, Professor für Forschungsmethodik komplementärer Medizin und Heilkunde, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder
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15:00 bis 16:00 Uhr – Der Wert der Komplementär- und Alternativmedizin für gesundheitspolitische Strategien der EU
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– Complementary and Alternative Medicine in health promotion and disease prevention, Simona Dragan, Professor of Preventive Cardiology and Rehabilitation, Victor Babes University of Medicine and Pharmacy, Timisoara, Romania

– Complementary and Alternative Medicine and chronic disease management, Erik Baars, Professor of Anthroposophic Healthcare, University of Applied Sciences, Leiden, the Netherlands

– Complementary and Alternative Medicine for innovative partnerships, Dominik Irnich, Head of Multidisciplinary Pain Centre, Department of Anaesthesiology, University of Munich, Germany
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16:15 bis 17:00 Uhr – Konkrete Schritte zur Umsetzung innovativer Gesundheitskonzepte auf Basis der Komplementär- und Alternativmedizin
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– Innovative use of Complementary and Alternative Medicine in healthcare and public health systems, Torkel Falkenberg, Associate Professor of Health Care Research, Research Constellation Leader – Integrative Health Care, Karolinska Institute, and Director, IC – The Integrative Care Science Center, Sweden.

– European Parliament’s perspective on Complementary and Alternative Medicine, Alojz Peterle MEP (EPP, Slovenia)

– European Commission’s perspective on Complementary and Alternative Medicine, Commission representative (tbc)
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17:00 bis 18:00 Uhr – Abschlusssitzung
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– The CAMbrella project – status and potential impact, Wolfgang Weidenhammer, CAMbrella project leader, Centre for Complementary Medicine Research at the University Hospital ‘Rechts der Isar’ of the Technical University of Munich, Germany

– Complementary and Alternative Medicine in European healthcare – recommendations from the day, Harald Walach

– Closing and conclusions, Elena Oana Antonescu MEP (EPP, Romania)
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Organisatorisches:

Veranstaltung: EU CAM CONFERENCE
Zeit: 9. Oktober 2012 von 8:30 Uhr (Registrierung) bis 19:00 Uhr (Abschlusssitzung)
Ort: Europaparlament, Brüssel, Raum P7C050
Teilnehmer: Mitglieder politischer Gremien der EU (EU-Kommission, Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten, Gesundheitsministerien und -agenturen der EU-Mitgliedsstaaten etc.), WHO-Mitarbeiter, themennahe Nichtregierungsorganisationen, Medien.
Konferenz-Homepage: www.epha.org/a/5243
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Quellen:

(1) Petra Thorbrietz, Die neue Heilkunst, GEO Magazin Nr. 08/11 (PDF)
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(2) Der Wandel des Krankheitspanoramas und die Bedeutung chronischer Erkrankungen (Epidemiologie, Kosten), A. Maaz, M. H.-J. Winter, A. Kuhlmey in: Fehlzeiten-Report 2006 – Chronische Krankheiten, B. Badura, H. Schellschmidt, C. Vetter, 2007, Springer
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(3) Klinische Forschung – Was wird behandelt? Und profitieren Patienten von der Homöopathie im Alltag? Die Perspektive der Versorgungsforschung, www.informationen-zur-homoeopathie.de
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Themen: DZVhÄ Homöopathie.Blog | 1 Kommentar »

Ein Kommentar to “CAM: Konferenz im Europaparlament informiert über den Nutzen der Komplementärmedizin für Europas strapazierte Gesundheitssysteme.”

  1. Prof. Harald Walach über die „EU CAM Conference“. Komplementärmedizin in der Gesundheitsversorgung Europas. | DZVhÄ Homöopathie.Blog schreibt:
    27th.November 2012 um 08:28

    […] and Alternative Medicine – Innovation and Added Value for European Healthcare“ statt (→ Programm, → Referenten). Wissenschaftler aus ganz Europa informierten hier über den Nutzen der […]

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